Teil Latein Deutsche Übersetzung (Bernd Biber)
   
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CARMEN EPICUM
De
CUPPA MEDIA, ET MAXIMA BASILICAE NOVAE
Immed. & Imperialis Monasterii Neresheimensis
Ord. SS. P. Benedicti Ecclesiam
Triumphantem Repraesentante Compositum
ab
ERNESTO DOMINICO BRUNONE
Mayer, Campidunensi Algojo, Consil. Eccles. August. &
p.t. Parocho in Ummenheim &c.
Anno
QVo HaeC PInXI t ApeLLes MeDIoLan Vs
Sive
Praenob. D. MARTINUS KNOLLER,
Excellentissimi DD. Ministri Mediolanensis
Pictor Aulicus &c.
Typis in Ducali Campidonensi per Alsysium Galler MDCCLXXV

Episches Gedicht über die mittlere und größte Kuppel der neuen Basilika
des reichsunmittelbaren Klosters des Benediktinerordens in Neresheim.
Es stellt die triumphierende Kirche dar.
Es wurde verfasst von Ernst Dominikus Bruno Mayer aus Kempten im Allgäu,
geistlicher Rat von Augsburg und z. Zt. Pfarrer in Ohmenheim,
und zwar in dem Jahr, in dem der Mailänder Appelles
d.h. der berühmte Herr Martin Knoller, Hofmaler seiner Exzellenz
des Ministers von Mailand, dies gemalt hat.
Es wurde gedruckt im fürstlichen Kempten
von Aloysius Galler im Jahr 1775.
(Appelles: berühmter Maler aus der Zeit Alexanders d. Großen)
  1
  D 
Bellerephontaeis canet ebria Musa fluentis,
Quae Mediolanus pro Tempore pinxit Apelles
In Cuppa media, simul & quae maxima. Templi
Neresheimensis, Benedicti provida Cura
Quod struit, & vigili noctuque Diuque Cleantis
Lampade perlustrat, quae sint facienda revolvens.

Trunken von den Wassern des Bellerophon (Bedeutung unklar!)
wird die Muse besingen, was der berühmte Mailänder Maler
für alle Zukunft (?) in der mittleren und größten Kuppel
der Neresheimer Abteikirche gemalt hat.
Diese Kirche hat Benedikts vorausschauende Sorge erbaut.
Erleuchtet wird sie Tag und Nacht von des Kleanthes
Ständig brennender Lampe.
Die Muse wird alles pflichtgetreu darstellen. (?)
(Kleanthes: stoischer Philosoph d. 3. Jahrh. vor Chr.)
  2
  D 
Ecclesia hic Tibi se sistit, quae dicta Triumphans,
Empyreum quae praesentat pulchro ordine coelum,
Sanctorumque Choros longo velut agmine monstrat.

Die Kirche steht hier vor dir, die die triumphierende genannt wird;
sie stellt in schöner Ordnung den strahlenden Himmel dar (und)
zeigt die Schar der Heiligen wie in einer langen Prozession.
  3
  D 
In medio TER SANCTA TRIAS, & cum Patre Natus
A dextris residens Patris, specieque columbae
Desuper apparens divinus spiritus: inde
A dextris Nati MATER circumdata stellis,
In capite, & roseo vultum perfusa pudore,
Angelicis stipata Choris, suffultaque dextris,
Caeruleáque nitens Virgo pulcherrima veste.

In der Mitte die Heilige Dreifaltigkeit, und mit dem Vater der Sohn,
der zur Rechten des Vaters thront. Darüber erscheint
in Gestalt einer Taube der heilige Geist: von dort
nach rechts die Mutter des Sohnes, umgeben von Sternen
das Haupt und das Gesicht überstrahlt von rosiger Keuschheit,
von Engelschören zu ihrer Rechten umringt und gestützt,
die Jungfrau strahlend in ihrem wunderschönen, himmelblauen Gewand.
  4
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Virgineum haud procul hinc sponsum florente videbis
Ornatum virgà JOSEPH, placidoque nitentem
Vultu, & regali cum majestate decorum.

Nicht weit von da wirst du ihren züchtigen Gatten sehen, mit einem blühenden
Zweig geschmückt: Joseph; er strahlt mit ruhigem
Gesicht und ist mit königlicher Majestät ausgestattet.
  5
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ELISABETHAM cognatam Virginis illinc
Ac ANNAM Illius Matrem magnalia summae
Narrantes dextrae videas, sanctosque Maritos
ZACHARIN, ac JOACHIM magnos Legis Patriarchas,
Et consanguineos Christi primo ordine cernes.

Von dort aus kannst du Elisabeth, die Verwandte der Jungfrau, sehen
und ihre Mutter Anna, die (beide) ganz oben rechts
Großartiges erzählen, und deren heilige Gatten,
Zacharias und Joachim, die großen Gesetzesgelehrten,
und du wirst die Verwandten Christi in der ersten Reihe entdecken
  6
  D 
QUO NON SURREXIT MAJOR, prope cernitur isthinc,
Et quem Majorem fratres dixêre, JACOBUS.
Infra hanc progeniem sacram Christoque propinquam
In medio Cuppae spatio, simul atque supremo.

Ganz in der Nähe kann man Jakobus erkennen – es gibt keinen größeren als ihn.
Seine Apostelbrüder nannten ihn „den Älteren“.
Unterhalb dieser heiligen und Christus nahestehenden Brüder
im mittleren und zugleich höchsten Bereich der Kuppel
  7
  D 
Familiae Magnae Patrem simul ac Patriarcham
Admirans specta BENEDICTUM nomine, reque.
Si bene perspicias, & aperto lumine lustres
Omnia, certè illud dices Tecum ipse Poetae:
Sic oculos, sic ille manus, sic ora ferebat.

betrachte mit Verehrung den Vater und auch Lehrer einer großen Anhängerschaft,
Benedikt mit Namen und in Wahrheit der „Gesegnete“.
Wenn du genau hinschaust und alles bei hellem Licht betrachtest
wirst du sicher für dich jenen Vers des Dichters nachsprechen:
So schaute er, so bewegte er die Hände, so war sein Gesichtsausdruck.
  8
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A dextris cum CONRADO, Constantia Mytram
Cui dedit, atque pedum qui pastorale gerebat,
Ille Dioecesis nostrae, Templive Patronus
UDALRICUS adest placido spectabilis ore:
Et propè, qui sanctum sancti genuêre Parentes
HUBALDUS cum DIETBURGA, qui germine tanto
In coelis jam jam gaudent sine fine beati.

Zur Rechten steht mit Konrad, dem Konstanz die Mitra (=das Bichofsamt) verlieh,
Ulrich, der den Hirtenstab als Bischof führte;
dieser ist der Schutzpatron unserer Diözese und unserer Kirche –
schön anzusehen mit seinem sanften Gesicht.
Und ganz nahe die Eltern Hubaldus mit Dietburga, die als Heilige einen Heiligen zeugten
und die sich nun als glückselige im Himmel ohne Ende
über ihren bedeutenden Sohn freuen.
  9
  D 
ROMANUS, sancto Patri qui praebuit escam,
Dum sublacensi latuit Benedictus in antro,
Cum MAURO laevam cingit, sed & AFFRA sinistram
En! cum Matre tenet, cui Nomen HILARIA, primae
Quae Tibi Christe fidem signarunt sanguine fuso,
Augustae Vindelicorum Jure Patronae.

Romanus, der seinem heiligen Vater Benedikt Speise brachte,
während dieser sich in einer Höhle bei Subiaco verbarg,
reicht Maurus die Linke; aber, sieh, auch Afra reicht ihre Linke
ihrer Mutter namens Hilaria. Sie haben dir, Christus, als erste
die Treue gelobt und ihr Blut vergossen
und sind zu Recht Schutzpatroninnen von Augsburg.
(Subiaco: Stadt südl. v. Rom)
  10
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Hartmanni frater germanus non procul isthinc
ERNESTUS pulchra facie Tibi conspiciendus:
Primus hic in Neresheim Antistes (ut Acta loquuntur)
Quive in visceribus se se ut monstraret amare
Et Christum, Christique fidem, sua viscera lento
Martyrio passus dissecto corpore fundi,
Sic geminis Titulis & primus Martyr, & Abbas.

Nicht weit davon kannst du den leiblichen Bruder Hartmanns
Ernestus mit seinem schönen Gesicht erblicken.
Dieser war, wie die Chroniken berichten, der erste Abt in Neresheim.
Um zu zeigen, dass er zutiefst im Inneren (=in den Eingeweiden)
Christus und den Glauben an Christus liebte, erduldete er, dass seine Eingeweide
in langedauerndem Martyrium aus dem aufgeschnittenen Körper quollen.
Somit verdient er den doppelten Ehrentitel als erster Märtyrer und (erster) Abt.
  11
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Haud procul hinc Frater Petri, Templive Patronus
ANDREAS decussatae crucis altus honore,
Utque triumphali curru super aethera vectus
Regnatis pro more sedet, simul atque quiescit
Innixus crucis huic Trabae: juxta assidet illi
Angelus, & Piscatoris sacra retia monstrat.

Nicht weit von hier fährt der Bruder von Petrus und Schutzpatron der Kirche
Andreas, hochberühmt auf Grund seines schräg gestellten Kreuzes,
wie auf einem Triumphwagen durch die Lüfte.
Er thront wie ein Herrscher und ruht zugleich (regnantis oder regnatoris pro more ?)
gestützt auf diesen Balken des Kreuzes: neben ihm sitzt ein
Engel und zeigt die heiligen Netze des Fischers.
  12
  D 
Virgineus dextram chorus occupat, ITTA supremo
Conspicienda loco cum cerva: Tunc WIBORADA,
Quae Nutrix Udalrici benedicta fuisse
Creditur, & sancti Benedicti filia post haec.

Ein Jungfrauenchor nimmt die rechte Seite ein; Itta ist
an der höchsten Stelle mit einer Hirschkuh zu sehen;
dann Wiborada, von der man annimmt, dass sie Ulrichs Amme war,
und später Nonne des heiligen Benedikt.
  13
  D 
OTTILIA inferius, geminos quae gestat ocellos
Impositos Libro, magnum sine lumine Lumen
Ordinis, ac ingens oculorum Jure Patrona.

Weiter unten Ottilia, die zwei auf einem Buch liegende Augen trägt.
(Sie ist), obwohl selber blind, eine große Lichtgestalt
des Ordens und zu Recht eine bedeutende Beschützerin der Augen.
  14
  D 
Promicat has inter velut ignes Luna minores
Magna soror Magni Benedicti, & filia prima
Atque simul Mater SCHOLASTICA, cujus honorem
Virgineum lateri Testatur juncta columba.

Wie der Mond zwischen geringeren Gestirnen leuchtet unter den obengenannten
Scholastica hervor, die große Schwester des großen Benedikt und seine erste Anhängerin;
Sie war zugleich Ordensmutter; ihre jungfräuliche Ehre
bezeugt eine ihrer Seite beigefügte Taube.
  15
  D 
Has MARGARETHA, & CATHARINA, & BARBARA, sanctae
Auxiliatrices dictae super astra sequuntur.

Diesen (obengenannten) folgen über den Sternen
Margaretha, Catharina und Barbara, die man die heiligen Nothelferinnen nennt
  16
  D 
GERTRUDIS magna, & MECHTILDIS, Lumina magna
Ordinis En! monstrant sua corda, & cujus amore
Arserit in terris geminum cor, corde loquuntur.

Siehe, die große Gertrudis und Mechtildis, bedeutende Gestalten
des Ordens, zeigen ihre Herzen und sagen damit, in welcher Liebe
beider Herzen auf Erden entbrannten.
  17
  D 
Tunc CUNEGUNDIS coelestis amore coronae
Terrenam spernens WALBURGAE juncta videtur,
Regalis socia, & soror ordinis hisce propinqua
Cum Palma, & cum vexillo VICTORIA Virgo,
Exuviae cujus sacrae in sacra aede quiescunt.

Dann kann man Cunegunde sehen, die aus Liebe zur himmlischen Krone
die irdische verschmähte, und bei ihr Walburga.
Die königliche Gefährtin und Ordensschwester, die Jungfrau Victoria,
(befindet sich) nahe bei diesen mit einer Palme (?) und einer Fahne.
Ihre heiligen Reliquien ruhen in einem heiligen Tempel.
  18
  D 
URSULA cum socio supra agmine claudit id agmen
Virgineum, & sacra Virgineo madefacta cruore
Spicula praesentat victrici morte decora.

Ursula beschließt mit dem darüberliegenden Zug diese Reihe
der Jungfrauen und zeigt die mit jungfräulichen Blut getränkten
Lanzen(spitzen), berühmt durch ihren siegreichen Tod.
  19
  D 
MARTINUS placida cum majestate decorus,
Infula cui nitidos advelat candida crines,
Et pastorali pulchrè exornatus amictu,
Ansere stipatus Triados arcana veretur.

Martinus strahlt sanfte Würde aus;
eine weiße Stirnbinde verbirgt sein glänzendes Haupthaar;
schön geschmückt von seinem Hirtenmantel
verehrt er, begleitet von einer Gans, die Geheimnisse der Dreifaltigkeit.
  20
  D 
Haec junctis manibus simul & MEINRADUS adorat,
Cui corvi applaudunt, crocitantque per aethera circum:

Diese betet auch zugleich mit gefalteten Händen Meinrad an,
dem Raben Beifall klatschen und um den herum sie in den Lüften krächzen.
  21
  D 
A dextris nunc ad partem te verte sinistram
Cuppae, & magnificos specta, & mirare triumphos,
Quos à devictis retulerunt hostibus omnes
Heroes Regni, de quo sacra littera cantat:
VIM PATITUR COELI REGNUM, RAPIUNT VIOLENTI.

Von rechts wende dich nun dem linken Teil
der Kuppel zu und betrachte und bewundere die herrlichen Siege,
die alle Helden des (himmlischen) Reiches über die überwundenen Feinde davontrugen;
darüber berichtet die Heilige Schrift:
Das Himmelreich erduldet Gewalt, die Gewalttätigen reißen es an sich.
  22
  D 
Ingentem specta primum, & mirare Triumphum,
Quem de LUCIFERO magno illo Principe coeli
Deque ejus sociis major Dux ille reportat
MICHAEL, utque reos rhomphaea vindice pellit,
Exturbatque polô, velut icta à fulmine quercus
Ingenti stridore ruunt, velut illa gigantum
A Jove tacta ruit facto velut agmine Turma.

Sieh zuerst und bewundere den glänzenden Sieg,
den Michael über den großen Himmelsfürsten Luzifer
und über seine Gefährten als stärkerer Führer davonträgt
und wie er mit rächendem Schwert die Schuldigen vertreibt
und vom Himmelsgewölbe verjagt; wie eine vom Blitz getroffene Eiche
stürzen sie mit großem Geschrei, so wie jene Schar der Giganten
wie in einem Heereszug von Jupiter getroffen herabstürzt.
  23
  D 
Hinc metamorphosin specta, & mirare tremenda,
Qua subito in furias abiit tam nobilis ante
Spiritus, & poenae causam rimare tremendo.
Hanc Tibi ab adversa dabit ultima linea parte
Subductis verbis: DEPONIT SEDE SUPERBOS.

Schau hier die Verwandlung und staune über die schreckliche Wendung,
wie ein zuvor so edler Geist plötzlich in Wahnsinn abgleitet,
und erforsche mit Zittern die Ursache der Strafe.
Diese (Ursache) wird dir dagegen die letzte Zeile
mit den folgenden Worten anzeigen: Er stürzt die Hochmütigen vom Thron.
  24
  D 
Sed nunc tolle oculos, & recto Tramite perge
Heroes regni spectare, En! BLASIUS offert
Se se, ac URBICUS, qui fuso sanguine regnum
Hoc expugnarunt facto velut impete, quorum
Exuviae Sacrae sacra isthac aede Tenentur.

Aber lass nun deine Augen weiterschweifen und fahre geradewegs fort
die Helden des Himmelreiches anzuschauen. Sieh da, Blasius zeigt sich
und Urbicus, die, indem sie ihr Blut vergossen,
dieses Himmelreich gleichsam in einem Angriff eroberten;
ihre heiligen Reliquien befinden sich in dieser Kirche.
  25
  D 
Proximus his magnus germanae gentis amicus
Et sic non frustra dictus BONIFACIUS illum
Ostentat Sacrum scriptum de Numine librum,
Cujus ab hostili ferro nec littera laesa est,
Prodigio ingenti, nempe ut quoque cerneret hostis
Illaesum Domini semper persistere verbum.

Nahe bei diesen zeigt Bonifazius, der zu Recht als großer Freund des germanischen Volkes
bezeichnet wird, jenes heilige Buch über die göttliche Macht;
von diesem Buch wurde vom Feindesschwert nicht einmal ein Buchstabe verletzt;
ein unglaubliches Wunder, damit freilich auch der Feind erkennen kann,
dass Gottes Wort auf ewig erhalten bleibt.
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  D 
Promicat hic ingens Romanae gloria sedis
GREGORIUS verè dictus re & nomine magnus,
Et magnus magni Benedicti filius, imò
Maximus in Terris, quia claves Petre tenebat
Ille Tuas, quas vix portavit dignius alter,
Utpote cui ipsum divinum Pnevma columbae
Candentis specie visum est dictare legenda.

Hier glänzt der durch den Ruhm des Papstthrones bedeutende Gregor hervor,
der in Wahrheit den Namen „der Große“ verdient;
und er war ein großer Sohn des großen Benedikt, ja sogar (immo?)
der größte auf Erden, da er deine Schlüssel, Petrus, in Händen hielt;
würdiger als er trug sie kaum ein anderer;
ihm hat ja, wie es scheint, der Heilige Geist selbst
in Gestalt einer strahlenden Taube seine Schriften eingegeben.
  27
  D 
Hunc paenes Petri haerendem re & nomine magnum
Ingens Petrini decor ille, & gloria statûs
JOHANNES NEPOMUCK residet, quem stella coronat,
Quae demersi olim caput inter flumina cinxit,
Nempe quia UT STELLA hic vitae quoque tempore fulsit.

( haerendem – haerentem? Besser: heredem –Erbe, Nachfolger)
Nahe bei diesem in Wahrheit und Namen großen Nachfolger des Petrus
sitzt jene überragende Gestalt, Ehre und Ruhm des Priesteramtes verkörpernd,
Johannes Nepomuk, den Sterne krönen.
Die Sterne umstrahlten einst das Haupt des im Wasser versunkenen,
da ja dieser auch zu Lebzeiten wie ein Stern strahlte.
  28
  D 
FRANCISCUS dives meritis, humilisque suimet
Contemptor minimi vult Ordinis esse parentem
Se se, & sic dici demisso corpore, nempe
in terris qualis fuerat, quoque nunc cupit esse
In coelis, ast hic HUMILES EXALTAT amandum
Numen, & è coeli DEPONIT SEDE SUPERBOS.

Franziskus, reich an Verdiensten und demütiger Verächter seiner selbst,
will als Begründer des geringsten Ordens gelten;
er will sich in ganz bescheidener Körperhaltung zeigen,
da er ja auch nun im Himmel so sein will, wie er auf Erden gewesen war;
aber die verehrenswerte göttliche Macht erhebt hier die Demütigen
und verweist von der Höhe des Himmels die Hochmütigen.
  29
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Aspice, quam magno splendore refulgeat illud
Terrae Africanae lumen, flammisve coruscet,
Quas cor ignitum merito pro munere praebet:
Nempe AUGUSTINUS, Tantus Pater ille virorum
Tantorum, & tanti fundator is Ordinis ingens.

Schau, mit welch großem Glanz jene Lichtgestalt
der afrikanischen Erde leuchtet und brennt in Flammen,
die das glühende Herz als wohlverdiente Belohnung darbietet:
Augustinus ist es, der so große Vater so großer Männer
und der bedeutende Gründer eines so großen Ordens.
  30
  D 
Hunc Fundatores alii mox pone sequuntur
DOMINICUS cum BERNARDO, duo vestibus albis
Insignes, grandesque viri, quos candida vita
Commendat magè quam vestes, candorque animorum,
Angelicos dicas ambos in vestibus albis
Jure viros, Domini qui defendêre sepulchrum,
Cum cane Dominicus, Bernardus cum cruce & armis.

Auf diesen folgen kurz darauf die anderen Ordensgründer
Dominicus mit Bernhard, beide durch ihre weiße Kleidung
gekennzeichnet; großartige Männer, die ihr glänzendes Leben
und die Reinheit ihres Geistes mehr hervorhebt als ihre Kleidung.
Beide kann man in ihrer weißen Kleidung zu Recht engelsgleiche
Männer nennen, die das Grab des Herrn verteidigten –
mit einem Hund Dominicus, Bernhardus mit Kreuz und Waffen
  31
  D 
Haud procul hinc minimae fundator Religionis
IGNATIUS Loyoleae fax ignea stirpis,
Divinum Nomen Lunato poplite adorat,
Fataque Loyolidum devota mente resignat.

Nicht weit von hier betet der Gründer des geringsten Ordens
Ignatius von Loyola, ein strahlendes Licht in seiner Stadt,
die göttliche Macht mit gebeugtem Knie an
und eröffnet mit demütigem Sinn die Geschicke seiner Ordensbrüder. (=Loyolides, um)
  32
  D 
Si porro attollas oculos paulo altius illinc
KILIANUS erit Tibi conspiciendus amictu
Et mytra insignis, Franconia iure Patronum,
Quem colit: huic socium PLACIDUS se iungit, & idem
Martyrium gladio subiisse in Nomine Christi
Gaudet, gaudebit semper cum Martyre Martyr.

Wenn du deine Augen von dort weiter und ein wenig nach oben lenkst
kannst du Kilian erblicken, mit Mantel
und Mitra ausgezeichnet, den das Frankenland zu Recht als Schutzpatron
verehrt: an diesen schließt sich als Gefährte Placidus an
und freut sich jetzt und für immer dasselbe Martyrium in Christi Namen
erlitten zu haben als Märtyrer mit dem Märtyrer.
  33
  D 
Denique WOLFGANGUM portantem Templa videbis
Seu Sancti Ottmari (concessum ubi claudere vitam)
Aediculam, hanc summo vivens dilexit amore.

Schließlich kannst du Wolfgang erkennen, der eine Kirche trägt
oder genauer die kleine Kapelle des heiligen Ottmar,
in der er sein Leben beschließen durfte.
Diese (Kapelle) verehrte er zu Lebzeiten mit größter Liebe.
  34
  D 
Huic se se comitem SYMPERTUS Episcopus addit
Pastor Pastori, Pastor bonus, optimus urbis
Augustanae olim, quam dicunt vindelicorum.

Diesem schließt sich, ein Hirte dem Hirten, als Begleiter
der Bischof Sympertus an; (er war) einst ein guter, ja der beste Hirte
der Stadt Augsburg, die man „Augusta Vindelicorum“ nennt.
  35
  D 
Talis quod fuerit Sympertus Pastor in urbe,
Hoc erepta Lupo testatur oricula, nempe
Ad pia vota viri proles mox reddita Matri,
Quae jam capta Lupi rabidis in faucibus haesit.

Welch guter Hirte Sympertus in der Stadt war, dies bezeugt ein Lämmlein (= ovicula),
das er einem Wolf entriss – genauer gesagt ein Kindlein,
das dieser (Wolf) auf die inständigen Bitten des Heiligen hin
sogleich der Mutter zurückgab, obwohl er es schon im gierigen Rachen
gepackt hielt.
  36
  D 
Ecce! COLUMBANUS Benedicti filius, Abbas
Luxovii, effigiem solis qui pectore gestat,
(Nempe quia Mater solem paritura videbat,
Qui medium ignitis radiis illuminet Orbem)
Abbati OTTMARO Loquitur, quam grandia Numen
Per se, perque suos socios concesserit orbi.

Siehe, da ist Columbanus, Benedikts Sohn, Bischof von Luxeuil.
Er trägt ein Bild der Sonne auf der Brust,
(da ja seine Mutter bei seiner Geburt die Sonne sah,
die mit ihren feurigen Strahlen die in der Mitte liegende Erde erleuchtet).
Dem Abt Ottmar erzählt er, welch großes Wirken
die göttliche Weisheit durch ihn und durch seine Gefährten
der Welt erwiesen hat.
(Luxeuil: Stadt in der Franche-Comté)
  37
  D 
Inter Apostolicos se miscet MAGDALA caetus
Quaeve Dei fuerit miserentis Gratia, narrat,
Qui PECCATORES RECIPIT simul inter amicos.

Unter die Scharen der Apostel mischt sich Magdalena,
die darlegt, wie groß des erbarmenden Gottes Gnade ist,
der die Sünder zugleich mit seinen Freunden aufnimmt.
  38
  D 
Quisnam Ottinganae fuerit Domus aedificator?
Bavariae, dico, RUPERTUS Apostolus est hic.
Salisburgensis dein factus Episcopus, illi
Se WILLIBALDUS iungit cum Rationali,
Quod solos Eustettenses discriminat inter
Pastores reliquos, queis cura incumbit ovilis.

Wer war denn der Erbauer der Kirche in Öttingen?
Ich sag es euch: Bayerns Apostel Rupertus,
der später Bichof von Salzburg wurde.
Auf diesen folgt Willibald mit dem Rechnungsbuch,
das allein die Eichstätter Bischöfe von den übrigen
Hirten unterscheidet, denen die Sorge um ihre Herde obliegt. (queis = quibus?)
  39
  D 
Hunc iuxta obverso quasi tergo est ECCE! SACERDOS
MAGNUS Fûessensis Praesul, cui assidet illud
Monstrum horrendum, ingens, caudatum, nempe Draco ille
Campidunensi precibus quem stravit in agro.

Siehe, neben ihm, fast den Rücken zuwendend,
steht der Priester Magnus, Pfarrer von Füssen.
Vor ihm duckt sich jener schreckliche, riesige beschwänzte Drache,
den er im Gebiet von Kempten durch seine Gebete unterwarf.
  40
  D 
Colloquitur Magno huic Sancto passu altior uno
Antistes Magnus Frisingae CORBINIANUS.

Mit dem heiligen Magnus spricht, eine Stufe höher stehend,
der große Corbinianus, Bischof von Freising.
  41
  D 
In coeli clivo tandem hic apparet & IVO
Tracorae Parochus, viduarum jure Patronus
Atque Pupillorum dictus, defendere causas
Causidicus Sanctus voluit viduae atque Pupilli:
Illos praeterea, quorum Ipsi credita cura,
Pavit & Exemplo, & verbo, & nutriit aere,
Exemplum factus Pastorum Pastor & ipse.

Am Himmelsgewölbe erscheint hier schließlich auch Ivo, Pfarrer von Tracora,
der zu Recht Beschützer der Witwen und Waisen genannt wird.
Der Heilige war bereit, als Rechtsbeistand die Prozesse
von Witwen und Waisen zu führen.
Zudem stärkte er diejenigen, deren Verteidigung ihm anvertraut war,
durch Vorbild und gute Worte und unterstützte sie mit Geld.
Er wurde, als er selbst Priester geworden war,
ein Vorbild für die Priester.
  42
  D 
Nunc agmen claudit Boicae Dux THASSILO gentis
Primus fundator claustri venerabilis hujus
Neresheimensis populi jam voce Beatus.

Nun beschließt den Zug der Herzog Thassilo aus dem Geschlecht der Bojer,
der erste Gründer dieses ehrwürdigen Klosters von Neresheim,
der durch Volkes Stimme schon seliggesprochen wird.
  43
  D 
Haud procul hinc residet sanctus cum conjuge Conjux
HARTMANNUS comes & conjux comitissa ADELHEIDIS,
Qui fundatores nulli pietate secundi,
Sed numerô tantum fundarunt maenia sancta haec,
Et sic aeternam sibi promeruere salutem.

Nicht weit von hier thront ein heiliger Gatte mit seiner Gattin:
Graf Hartmann und Gräfin Adelheid.
Keineswegs sind sie, was Frömmigkeit angeht,
zweitrangige Gründer, nur was die Reihenfolge angeht.
Sie ließen diese heiligen Mauern erbauen
Und verdienten so die ewige Glückseligkeit.
  44
  D 
Altiûs assurgas jam Musa, & carmine digno
(si potes) Ecclesiam candenti veste Decoram
Extolle! haec velum removet, quo grande recondit
Arcanum Romana fides, ut cernere possis
Saltem oculo fidei, quae numquam in corpore cernes,
Sed QUASI PER SPECULUM Paulo testante videbis.

Schwinge dich nun auf, o Muse, und rühme,
wenn du es vermagst, mit würdigem Lied
die herrliche Kirche in ihrem strahlenden Gewandt.
Sie entfernt den Schleier, mit dem
der römische Glaube das große Geheimnis verbirgt,
damit man wenigstens mit dem Auge des Glaubens
erkennen kann, was man nie direkt mit den leiblichen Augen
sehen wird, sondern nur – wie Paulus bezeugt –
wie durch einen Spiegel.
  45
  D 
Ast En! PAULUS adest cum PETRO Principe grande hoc
Arcanum admirans, Petro Magnalia narrans
Intento digito, vultu stupet ille profundum
Hoc mare sublato, simul & miratur abyssum.

Doch siehe, da zeigt sich Paulus mit dem Apostelfürsten Petrus,
wie er das große Geheimnis bewundert und Petrus
mit ausgestrecktem Finger von großen Taten berichtet.
Aufschauend betrachtet er das tiefe Meer und staunt zugleich
über den Abgrund.
  46
  D 
SIMON, & THOMAS, MATHIAS, atque THADEUS
PHILIPPUS cingunt Latus horum & BARTHOLOMAEUS
JACOBUS que MINOR Domini cognomine frater.

Simon, Thomas, Mathias, Thadaeus und Philippus umringen diese,
ebenso wie Bartholomaeus und Jakobus der Jüngere,
auch Bruder des Herrn genannt.
  47
  D 
Intra hoc (hos?) Anselmum cernes, magnum Ordinis illud
Et simul Ecclesiae sidus, cui jungere GALLUM
Ceu Fratrem voluit Pictor, seu magnus Apelles.

Unter diesen kannst du Anselmus erkennen,
jenes große Gestirn des Ordens und auch der Kirche.
Diesem wollte der Maler (oder besser der große Appelles)
als Bruder Gallus zur Seite stellen.
  48
  D 
Utque magis Gallum noscas appinxit & ursum,
Qui vivo Abbati famulo pede ligna ministrans
In Scriptis legitur: Sunt haec insignia Galli.

Damit du Gallus besser erkennst, malte er einen Bären dazu,
der zu Lebzeiten des Abtes diesem als braver Diener
Holz herbeitrug, wie man in den Akten liest:
Der Bär und das Holz sind also die Kennzeichen des Gallus.
  49
  D 
Spectasti Sanctos, quos Lex nova ceu pia Mater,
Et foecunda parens coelo genuisse refertur,
Nunc veteris Testamenti quoque Nomina LIBRO
VITAE inscripta lege, & simul hic depicta sinistra
Cuppae ex parte vide, & rursus Tua Lumina verte
A dextra ad Laevam, nam sic cupit ordo Poétae,
Qui propter copiam nunc hinc, nunc inde vagatur.

Bis jetzt hast du die Heiligen gesehen, die das neue Gesetz
- so wird es dargestellt - wie eine fromme und fruchtbare Mutter
dem Himmel geboren hat.
Lies nun auch die Namen des alten Testaments, die im Buch
des Lebens stehen, und sieh sie zugleich hier auf der linken Seite
der Kuppel abgebildet. Wende nun wiederum deinen Blick
von rechts nach links, denn so verlangt es die Anordnung des Dichters,
der auf Grund der Vielfalt mal hierhin mal dorthin schweift.
  50
  D 
En! primus justus SIMEON pius ille Sacerdos
Qui fuit in Templo, dum Mater Virgo ferebat
Natum pro mundi jam jam Oblatura salute,
Se se offert veteris vestitus Legis amictu,
Nempe ideo primus, quia Christo proximus, etsi
Ultimus antiqua fuerit pro lege Sacerdos.

Betrachte zuerst jenen Gerechten, den frommen Priester Simeon,
der im Tempel war, als die jungfräuliche Mutter ihren Sohn brachte,
um ihn nun für das Heil der Welt darzubieten.
Simeon zeigt sich bekleidet mit dem Mantel des alten Bundes.
Er ist sicher deshalb der erste, da er Christus am nächsten ist,
auch wenn er der letzte Priester gemäß dem alten Bund war.
  51
  D 
Parvo intervallo sequitur Rex, atque Propheta
DAVID cum cythara, quasi sic praeludere vellet,
Praecinere & Laudes se cum sine fine canendas.

Gleich darauf folgt der König und Prophet David mit einer Harfe,
als ob er so schon für sich die ewige Lobpreisung (Gottes)
mit Harfenspiel und Gesang darbieten wollte.
  52
  D 
Tunc ABRAHAM, Natus cui victima sponte recumbit
ISACC, ceu UNIGENITUS, QUEM DILIGIT ille.

Dann folgt Abraham, dem der Sohn Isaak sich freiwillig
als Opfer hingibt, sein „einziger Sohn, an dem er sein Wohlgefallen hat“.
(vgl. Mat. 3,17 /Mark. 1,11 / Luk. 3,22)
  53
  D 
JACOB Isacci qui filius, & Patriarcha
Magnae gentis erat, prope consedisse videtur.

Jakob, der der Sohn Isaaks und Prophet eines großen Volkes war,
sieht man in der Nähe sitzen.
  54
  D 
MOYSES, ac AARON FRATER suus ille LEVITES
Nunc se se ostendunt, Tabulásque ostendere legis
Numinis à digito scriptas pulchro ordine certant.

Nun zeigen sich Moses und sein Bruder Aaron, der Levit.
Sie zeigen beide auf die Gesetzestafeln,
die vom Finger Gottes in schöner Ordnung geschrieben sind.
  55
  D 
Jam NOE cum JAPHET praesentant comminus arcam,
Quam jussu ille Dei centum fabricaverat annis.

Gleich daneben weisen Noe und Japhet auf die Arche,
die jener auf Gottes Geheiß in hundert Jahren erbaut hatte.
  56
  D 
Demum post multos veteres longo agmine Patres
Protoparens ADAM sequitur cum Protoparente
EVA, quae à Domino fuit ipso dicta VIRAGO.

Schließlich, nach einem langen Zug von vielen Vätern des alten Bundes,
folgt der Urvater Adam mit der Urmutter Eva, die vom Herrn selbst
als „vom Mann genommene“ bezeichnet wurde.
  57
  D 
Quid superest? gemini Ecce! viri post illa supersunt,
Et qui sunt isti? quinam isti IN VESTIBUS ALBIS?
ELIAM ac ENOS forsan quis diceret esse,
Ni sciret coelo Empyreo nondum esse receptos,
Utpote defunctos necdum. Quae sentio, dicam.

Was bleibt? Siehe, zwei Männer folgen noch nach.
Und wer sind sie, die da in weißen Gewändern?
Elias und Enos, könnte vielleicht jemand sagen,
wenn er nicht wüsste, dass sie noch nicht
in den strahlenden Himmel aufgenommen sind.
Sie sind ja noch nicht gestorben. (?)
Was ich denke, will ich sagen.
  58
  D 
Illos credo VIROS hos esse IN VESTIBUS ALBIS
Qui post Ascensum Domini sub rupe STETERE,
Dixeruntque viris Galilaeis (nunc quoque nobis)
QUID STATIS COELOS ignavi hic ASPICIENTES?
INTRARE ANGUSTAM potius CONTENDITE PORTAM.

Ich glaube, es sind die weißgekleideten Männer,
die nach Christi Himmelfahrt auf dem Felsen standen
und den Männern von Galiläa (und nun auch uns)
sagten: „Was steht ihr hier müßig und schaut zum Himmel?
Bemüht euch vielmehr, durch die schmale Pforte
dorthin zu gelangen.“